Print

Am 5 Juni 2021 sind es 27 Jahre seit der feierlichen Einsetzung seiner Hochwürden Vater Serafim als erster Metropolit der damals neu gegründeten Rumänisch Orthodoxen Metropolie von Deutschland, Zentral- und Nordeuropa. Er kam kurz nach der Revolution in den Westen und war Augenzeuge der bewegten Zeiten mit wesentlichen sozialen Veränderungen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs.

Auch jetzt, im Gedenk-Jahr der Rumänischen Diaspora, sind die Herausforderungen der Gemeindebetreuung der immer zahlreicher im Westen ankommenden Rumänen genauso groß, wenn auch anderer Art. Während meines Gesprächs mit Seiner Hochwürden kam ich mir oft wie in einem lebendigen Geschichtsfluss vor, aus welchem Personen und einzigartige Momente der Jahrtausendwende hervortreten. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, dass unser Metropolit Serafim einige Fragen über die Vergangenheit und Zukunft der rumänischen Diaspora und über den missionarischen Dienst eines orthodoxen Bischofs im Westen beantwortet hat. - Priestermönch Ioan Dumitru Popoiu

Vater Ioan: Hochwürden, wie sah die Diaspora aus der Perspektive eines jungen Priesters, welcher zu Studium und Doktorarbeit nach Paris kam, aus? Was für einen Eindruck hat diese ,,kleine rumänische Gesellschaft‘‘ außerhalb Rumäniens bei Ihnen hinterlassen?

Metropolit Serafim: ich glaube, dass wir vor 1989 nicht von einer rumänischen Diaspora, sondern von einem Exil sprechen können. Als ich 1982 zur Fortsetzung meiner Studien am Institut ,,St. Serge‘‘ ankam, habe ich um Paris herum als Priester eher in Gemeinden russischer Tradition gedient, und auch am Institut, welches russischen Ursprungs, aber unter der Obhut des Patriarchates in Konstantinopel steht; außerdem  auch in einem Nonnenkloster russischen Ursprungs, welches mit der Zeit multi-ethnisch wurde, wo auch die Prinzessin Alexandra von Rumänien ihren Werdegang als Nonne durchlief und Schwester Ileana wurde. Ich habe demnach sehr wenig Rumänen in Paris kennengelernt. Allerdings habe ich einmal den Philosophen Emil Cioran besucht, auch mit Priester Virgil Gheorghe, Dichter und Schriftsteller, gesprochen, und den Sorbonne-Professor Pierre Năsturel, in Rumänien geborener Franzose und mit einer Rumänin verheiratet, als Mentor meiner Doktorarbeit über die rumänische Isihie (Einsiedelei oder das rumänische Seelenleben in der Zurückgezogenheit) gehabt. Über das rumänische Exil erfuhr man einiges vom Radio „Freies Europa“ und „Amerikas Stimme“. Aber da ich mich in einem französisch-russischen Milieu und einem Institut unter der Obhut des Konstantinopler Patriarchates befand, war ich isoliert und abseits der rumänischen und auch russischen politischen Streitthemen, weil letztere ja auch politische Flüchtlinge waren. Außerdem gab es Studenten aller Nationalitäten: Griechen, Serben, Libanesen, Syrer… In dieser multi-ethnischen Umgebung hatten die politischen Probleme keine Relevanz, sie wurden einfach nicht diskutiert.

 

Wie sah die rumänische Diaspora bei Ihrer Ankunft als Metropolit in der frisch errichteten Eparchie in Deutschland aus? Können Sie uns etwas über einige repräsentative Persönlichkeiten aus Ihren ersten Jahren als Hierarch hier erzählen?

In Deutschland gab es auch ein zahlreiches rumänisches Exil in Verbindung mit dem Radiosender ,,Freies Europa‘‘ mit Zentrum in München. Ich nenne einige Namen: Nicolae Stroescu-Stânișoară, welcher jahrelang Leiter der rumänischen Abteilung war, dann Ioan Cicală, Constantin Xifta...  Ich erinnere mich auch sehr gerne an Professor Constantin Nagacevschi, eine große Persönlichkeit des Exils, welchen ich im Oktober1993 auf der Eparchial-Versammlung in Aachen kennengelernt habe, wo ich zum Metropoliten gewählt wurde. Nach der Wahl und bis zu meiner Ernennung im Juni 1994 blieb ich eine Weile in Rumänien, und als ich zurückkehrte, war er schon verstorben. Es wurde mir gesagt, er hätte sich sehr gewünscht, den neuen Metropoliten im Amt zu erleben. Ich zähle seine Aufopferung zum ersten Grundstein unserer Metropolie. Sein Name und jene der anderen Begründer unserer Metropolie stehen auf der Wand des Proskomidiars unserer Kathedrale in Nürnberg. Diese und andere kluge Leute aus der Gruppe von ,,Freies Europa‘‘ merkten, durch den Priester Simion Felecan ermutigt, welcher in München diente, dass sich die Situation in Rumänien nach der Revolution geändert hatte und man sich zu einer orthodoxen rumänischen Entität sammeln müsse, wie sich auch schon die Griechen, Russen und Serben organisiert hatten. So wurde ich bei meiner Einsetzung am 05. Juni 1994, welche in der evangelischen ,,St. Lukas-Kirche‘‘ in München stattfand, sehr gut empfangen. Zu meiner Überraschung nahmen über tausend Gläubige aus allen Gebieten Deutschlands daran teil. Da ich anfangs keine materielle Unterstützung hatte, erbat ich mir Hilfe vom Prälaten Albert, den ich in Paris kennengelernt hatte und welcher das Institut für orientalische Kirchen in Regensburg leitete. Hier durfte ich mit einem Stipendium zusammen mit den Studenten im Institut wohnen. Die Satzung der Metropolie, von der Bischofskonferenz und der Heiligen Synode bewilligt, sah vor, dass die Metropolie und deren Diener keinerlei finanzielle Unterstützung aus Rumänien bekommen sollten. Dies habe ich gänzlich respektiert und kam ohne jede materielle Hilfe, Gehalt oder sonstiges von Seiten der Kirche oder des rumänischen Staates her. Durch die Vermittlung der Institutsleitung, welche auch an der Fokolarbewegung teilnahm, lernte ich Chiara Lubich, die Gründerin derselben, und viele implizierte Bischöfe aus Deutschland und der ganzen Welt kennen, welche sich jährlich in Rom oder anderen Ländern trafen. Diese wiederum waren mir behilflich, neue Gemeinden zu gründen, indem sie für unsere Gottesdienste Kirchen zur Verfügung gestellt haben. In den ersten vier Jahren als Metropolit war ich auch locum tenens des Erzbistums von Westeuropa mit Sitz in Paris und hatte alle rumänischen Gemeinden aus dem Zentrum und Westen des Kontinents in Obhut. Das waren anfangs 9 in Deutschland, zwei in Österreich, drei in Schweden, drei in Italien und einige andere in Frankreich, Spanien, England…. Diese musste ich alle besuchen. Es kamen schon vermehrt Rumänen zur Arbeit nach Italien und wir hatten noch keine Gemeinde in Rom. Aber dadurch, dass ich durch die Fokolarbewegung und die Gemeinschaft Sant‘ Egidio Bischöfe in Italien kennengelernt hatte, konnten wir für die Rumänen mehrere Gottesdienst-Gebäude bekommen, in Deutschland und Frankreich ebenso.

 

Die ersten Jahre waren die schwersten. Sie wurden oft beleidigt, unter anderem beschuldigt, ein Staatsinstrument zur Kontrolle der Leute zu sein. Was hat Sie dazu ermutigt, diesen Anklagen zu trotzen und weiter Ihren Weg zu gehen?

Obwohl die Führenden Persönlichkeiten von Radio ,Freies Europa‘ jene waren, welche 1993 die Gründung der Metropolie unter der Obhut der Rumänischen Orthodoxen Kirche initiierten, gab es unter ihnen einige, welche dies nicht akzeptiert haben und mich als Instrument der Iliescu-Politik abstempelten, einen infiltrierter kommunistischen Agenten zur Spaltung des Exils nannten und mich beschuldigten, geheime Konten zu besitzen. In einem obskuren Blatt aus Lausanne wurde über mich geschrieben und die Informationen an Adressen der Rumänen aus dem Exil geschickt. Es wurde auch eine Unterschriftenliste geführt, in welcher man der Patriarchie verlangte, mich abzusetzen. Tatsächlich war sie gefälscht, da die meisten darauf erwähnten Personen von diesem Gesuch keine Ahnung hatten. Trotzdem hatte mich dieser Gegenwind ziemlich entmutigt. Es gab auch einige interne Probleme, Uneinigkeiten mit einigen Priestern, natürlich war es eine schwere Zeit für mich. Deshalb habe ich mein Herz einem erfahrenen Beichtvater darüber ausgeschüttet, dass ich mich zurückziehen wolle. Er hat geantwortet: ,,Was wäre geschehen, wenn Christus während seiner Verspottung auf dem Kreuz, als man Ihm sagte : ,,steige herab‘‘ oder ,,tue ein Wunder‘‘, vom Kreuz gestiegen wäre? Hätte er die Welt noch erlöst?‘‘ Dies Wort hat mich sehr gestärkt. Aber vor allem hat mich das Beten gestärkt! Alle schwierigen Lebenslagen leiten uns zu noch mehr Gebet. Ich glaube, wenn es keine Schwierigkeiten gäbe, würde niemand mehr beten. Eine Weisheit besagt, dass aller Anfang schwer sei, aber die Schwere des Anfangs ist eine Bestätigung dafür, dass das Angefangene eine gute Sache ist. Ich bin mir sicher, dass die materiellen Nöte, die Gegner, Kritiken und Verurteilungen seitens einiger gegen mich von Gott zugelassen wurden, damit ich Demut übe und noch mehr bete. Deshalb danke ich Ihm, dass Er mir die Kraft gegeben hat, den Rat meines Beichtvaters zu befolgen und die Mission, zu welcher Er mich berufen hat, nicht aufzugeben. Es wäre eine Schande gegenüber unserer Kirche und der Gläubigen gewesen, welche mich so liebevoll empfangen hatten. Die erste sehr schwere Zeit ist vorbeigegangen, dann kamen andere Schwierigkeiten. Bis heutzutage und solange es die Welt gibt, lässt es sich nicht ohne Kummer und Probleme leben, weil diese uns die Wahrnehmung der Wirklichkeit vertiefen und unsere Lebenserfahrung bereichern.

 

Es sind jetzt 27 Jahre seit Ihrer Ernennung als Metropolit vergangen. Können Sie uns einiges an Zufriedenheit nach dieser langen Zeit schildern? Oder aber Bedauern? Wenn Sie etwas aus der Vergangenheit ändern könnten, was wäre das?

Zuallererst bin ich Gott für meine Berufung hier und die Gründung des neuen rumänischen Bistums dankbar. Er hat durch mich, die Priester und Gläubigen, welche uns in all diesen Jahren nahestanden, sehr viele schöne Dinge geschaffen. Es wurden viele Kirchen gebaut und ich möchte hier vor allem die Kathedrale in Nürnberg, die Kirche aus Berlin und das Kloster in München erwähnen. Wie gesagt, haben wir anfangs nichts besessen, aber nach den Aufrufen aus dem Geistlichen Brief  und den in den wenigen Gemeinden gehaltenen Predigten haben die beseelten Gläubigen angefangen, immer mehr für den Kauf einer Kirche, der zukünftigen Metropolie-Kathedrale, zu spenden. Von den Evangelischen und Katholischen Kirchen haben wir auch bedeutende Unterstützung bekommen, sodass wir nach nur fünf Jahren das jetzige Anwesen in Nürnberg kaufen konnten. Die Restaurierung und Herrichtung hat mindestens noch einmal doppelt so viel gekostet wie die Anschaffung und wurde ausschließlich mit den Spenden und der Hilfe unserer Gläubigen gemacht, denen ich nicht genug danken kann. Ich bin von Anfang an der Meinung, dass wir für Kirchenbauten oder Gehälter kein Geld vom rumänischen Staat bekommen sollten, sondern von hier aus der Fremde jenen in der Heimat helfen.

Bedauern… es tut mir auch leid, dass ich nicht immer alles getan habe, was möglich gewesen wäre. Manchmal habe ich Priester geweiht, ohne sie vorher gut genug geprüft zu haben, wie der Heilige Apostel Paulus sagt, und mit einigen dieser, aber wirklich sehr wenigen, hatte ich Schwierigkeiten. Manche haben das Bistum verlassen, andere sogar die Orthodoxie. Ich wäre also bei der Wahl der Priester vorsichtiger und würde mehr Wert auf deren theologische und geistliche Vorbereitung legen sollen. Im Allgemeinen haben wir gute Diener Gottes, aber es gibt auch viel menschliches Unvermögen, wie überall. Vor etwa 10 Jahren gab mir Gott den Gedanken, die Mission durch sogenannte ,,Geistliche Abende‘‘ in den von mir besuchten Gemeinden zu vermehren. So erzählen wir mit den Gläubigen Freitag oder Samstag abends nach der Heiligen Krankensalbung und ich antworte auf Fragen. Es entsteht jedes Mal eine angenehme und nützliche Atmosphäre zur geistigen Stärkung der Gläubigen. Um einen noch persönlicheren Kontakt zu ihnen herzustellen, gedachte ich, mehrere Tage in jeder Gemeinde zu verbringen, um jenen die Beichte abzunehmen, welche das wünschten. Ich glaube, es wäre besser gewesen, wenn ich diesem Gedanken nachgegangen wäre, weil die Menschen geistige Weisung benötigen. Dies macht natürlich der Priester, aber es bestärkt sie mehr, wenn der Bischof ihnen die Heilige Beichte abnimmt.

Wenn ich von vorne anfangen sollte, würde ich mir ein etwas anderes kanonisches, missionarisches Besuchsprogramm erstellen, würde mich mehr um die theologische Vorbereitung der Priester zur Weihe kümmern. Aus Rumänien sind sie nach dem Theologiestudium gekommen, hier aber können die meisten sich nicht weiterbilden, da sie wochentags verschiedene Jobs annehmen mussten. Ein Priester muss einen fortwährenden theologischen Werdegang haben und ich glaube, das habe ich vernachlässigt. Ich habe viele Fehltritte übergangen und glaube, mit unserer inneren Disziplin wäre ich strenger. Die menschliche Freiheit benötigt viel Liebe und Respekt. Da die Freiheit von Gott kommt, ist sie heilig, aber aus Freiheit ohne Verantwortung entsteht Liederlichkeit. Sie muss demnach von Seiten des Bischofs streng korrigiert werden, wie der Heilige Apostel Petrus verlangt: ,,überführe, weise zurecht, ermahne…‘‘ (II Tim. 4, 2). Deshalb führt der Bischof den Stab mit sich, um diese Sachen nach Bedarf zu berichtigen.

 

Wie blicken Sie auf die heutige pastorale Aktivität in der europäischen Diaspora? Sind es dieselben Probleme wie vor zwanzig Jahren, oder andere?

Im Allgemeinen sind es dieselben Probleme, aber sie haben sich vermehrt. Bis 2014 lebten etwa Drei- bis Viertausend Rumänen in Deutschland, die meisten davon in rumänisch-deutschen Mischehen, beziehungsweise orthodox-katholisch oder -evangelischen Familien. Jetzt hat sich die Situation radikal verändert. Heutzutage leben hier über eine Million Rumänen und in Österreich über hundertdreissigtausend. Diese neue Realität fordert von uns sehr viel Einsatz. Dort wo viele Gläubige sind, müssen wir ihnen durch die Gründung von Gemeinden entgegenkommen. Das konnten wir, wenn auch nur beschränkt, mit Gottes Hilfe machen. In Italien gibt es für etwa genauso viele Rumänen wie in Deutschland 300 Gemeinden, wogegen hier nur 150. Allerdings ist es nicht leicht, ohne jede materielle Basis eine Gemeinde zu gründen. Dies setzt auch voraus, junge Theologie-Absolventen zu finden, welche neben ihrer Arbeit auch missionarische Aktivitäten und Seelsorge machen. Die Bischöfe der griechischen, russischen und serbischen Gemeinden aus Deutschland verlangen von den Gläubigen vor der Gründung einer Gemeinde das Versprechen, dass sie den Priester mit einem Gehalt unterstützen werden. Natürlich sind diese Diasporen auch älter als unsere, und die Haltung der Gläubigen gegenüber der Kirche ist eine andere. Die Rumänen glauben, dass ihre Priester aus Rumänien, von der Kirche oder dem Staat bezahlt werden, was nicht stimmt. Die Griechen, Russen und Serben unterhalten ihren Priester selbst. Schritt für Schritt müssen die Priester auf ihre Jobs verzichten können, indem sie von der Gemeinde bezahlt werden, um sich ganz ihrer Mission widmen zu können. Die Heilige Schrift sagt: dass die, welche des Altars warten, vom Altar ihren Teil haben (1 Korinther 9,13). Wann soll der Priester den Gläubigen noch zur Verfügung stehen, wenn er die ganze Woche lang arbeitet? In manchen der Gemeinden besteht immer noch ein Provisorat, obwohl es sie schon seit 10 oder 15 Jahren gibt. Die Seelsorge in der Diaspora ist eher persönlicher Art, nicht für die breite Allgemeinheit, wie in den traditionell orthodoxen Ländern. Der Priester muss mit jedem Gläubigen in Verbindung sein, auch durch die modernen Kommunikationsmöglichkeiten, und sie zuhause oder im Krankenhaus besuchen. Er braucht aber auch viel Zeit für die Gottesdienste. Wenn diese regelmäßig und ausgiebig stattfinden und außer der sonn- und feiertäglichen Liturgie auch Abend- und Morgenandachten, ein Akathistos-Hymnos oder die Heilige Krankensalbung stattfinden, wenn schön gesungen und gepredigt wird, werden auch mehr Gläubige kommen und die Gemeinde stärken. Die Leute werden die Priester auch unterstützen, wenn diese immer für sie da sind.

 

Woran denken Sie, wenn Sie im Sommer Klöster und Kirchen besuchen während Sie kreuz und quer durch Rumänien reisen?

Wie jeder Rumäne bin ich sehr mit meinem Land verbunden, meiner Kirche, unseren Klöstern, welche von seltener Schönheit und spirituellem Reichtum sind. Es tut mir leid, dass viele Rumänen ihren Urlaub in anderen Ländern und nicht öfters in der Heimat verbringen. Rumänien ist in Allem ein wunderbares Land. Dort ist unsere Seele, unser Volk, unsere Kultur und Spiritualität. Für mich ist es auch eine Freude, jährlich nach Rumänien zu fahren, da ich von Jugend an viele Klöster besucht und mehrere große Beichtväter kennengelernt habe. Deshalb bin ich ihnen sehr verbunden geblieben und werde eingeladen, dort Gottesdiensten beizuwohnen oder fahre selber die Grabstätten der Väter Cleopa, Paisie, Arsenie Papacioc und Arsenie Boca zu besuchen. In Rumänien bin ich mehr unterwegs als hier in der Diaspora, aber das mit viel Freude, ohne Müdigkeit zu verspüren. Ich ,,ruhe mich aktiv aus‘‘, was körperlich vielleicht ermüdend ist, der Seele und Psyche aber guttut. Deshalb wünsche ich mir, dass alle Rumänen aus dem Westen ihrem Land und ihrer Familie verbunden sind, ihren Eltern, den Friedhöfen und auch unseren Klöstern. Wir haben über 650 große und kleinere Klöster. Jeder Rumäne sollte permanent mit mindestens einem Kloster in Verbindung stehen.

 

Um auch einen Blick in die Zukunft zu werfen: wie stellen Sie sich die Diaspora in weiteren 27 Jahren vor?

Ich hoffe, dass sich unsere Diaspora festigen wird, indem wir immer mehr eigene Kirchen haben werden. Auf diese Weise können die Aktivitäten mit den Gläubigen, Jugendlichen und Kindern intensiver stattfinden – über die Mission mit der Jugend und den Kindern habe ich hier noch nichts erzählt – so könnten wir sie besser versammeln und ihnen den Glauben weitergeben. Andererseits fürchte ich darum, dass die Orthodoxie säkularisiert werden könnte. Es gibt schon Anzeichen dafür, dass in den abendländischen orthodoxen Gemeinden die Gefahr der Säkularisierung, der Anpassung an den Zeitgeist, droht. Man sieht die Tendenz, die Gottesdienste abzukürzen, das Fasten zu lockern, seltener zu beichten. Der Zeitgeist zieht in die Kirche ein, statt dass die Kirche die Welt heiligt und sie zu den evangelischen Werten erhebt. Der Herr sagt: ,,Ihr seid das Salz der Erde. Wenn aber das Salz seine Schärfe verliert, womit soll es salzig gemacht werden? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass es hinausgeworfen und von den Leuten zertreten wird.‘‘ (Matthäus 5,13). Wir dürfen das Niveau unserer evangelischen Werte nicht senken, um dadurch mehr Menschen anziehen zu wollen! Im Abendland wurde dieser Fehler gemacht. Ein aggiormanento oder eine Anpassung der Kirche an die Welt. Aber das Resultat war genau das Gegenteil. Der russische Priester und Dichter Vladimir Zielinski, welcher in Italien dient, sagte: ,,Wenn ihr das Kreuz aus dem Evangelium entfernt, erhaltet ihr ein Evangelium für fromme Verbraucher.‘‘ Also mit anderen Worten gebt ihr die Askese, das Kreuz auf… ihr entfernt das Fasten, die Bemühungen, großen Verbeugungen, Teilnahme an unseren so langen Gottesdiensten, aus dem Leben des Gläubigen. Aber die orthodoxe Kirche zeichnet sich gerade durch Askese aus. Wer die Bequemlichkeit sucht und sich nicht freiwillig in den Kampf gegen die Sünden begibt, welche unser Leben zerstören, der kann sich nicht Christ nennen. Gerade diese überzeugte Hingabe an den Glauben, die Askese und Nächstenliebe bringt der Seele Frieden und Freude. Ohne Kreuz hätten wir ein süßliches, verdünntes, wässriges Christentum ohne Seelenverändernde und Lebensheiligende Kraft. Diese Gefahr nimmt man vor allem in Amerika wahr, wo die Orthodoxie schon fast 200 Jahre alt ist, und wo die Leute mancherorts das Beichten ziemlich vergessen haben, kaum noch fasten, sich in der Kirche hauptsächlich wegen des Kaffees nach dem Gottesdienst treffen. Auf diese Art wird die Kirche eher ein Ort der Geselligkeit als des intensiven Glaubenserlebnisses. Wir müssen gegen den Zeitgeist, welcher sich gegen den Geist Christi stellt, ankämpfen. Unser, der Priester, Auftrag besteht darin, die evangelischen Ansprüche zu bewahren. Nicht immer weiter abfallen und abfallen, um nachher mit der Welt verwechselt zu werden und ohne mehr zu wissen, wo die Welt und wo die Kirche steht.

 

Was können Sie jenen empfehlen, die aus Rumänien hierher in den Westen gezogen sind und sich hier ein standfestes Leben aufgebaut haben?

Ihre Herkunft, Spiritualität und den Glauben nicht zu vergessen, die Volkszugehörigkeit, Kultur und Sprache. Wenn wir an diesen Werten nicht festhalten, werden wir in alle Winde zerstreut und niemals seelischen Frieden und Freude haben. Und wenn unsere Kinder nicht in die Kirche gebracht, in Glauben und Gebet erzogen werden, werden sie sich ganz verlieren. Für die nächsten Generationen wird es sehr schwer sein. Das sehen wir am Beispiel älterer Diasporen, welche ihre Gläubigen größtenteils nicht nur wegen der Säkularisierung der Welt verloren haben, sondern weil sie ihren Kult nicht an die Sprache des jeweiligen Landes angepasst haben. Wenn in zehn, zwanzig Jahren die Kinder, welche noch in die Kirche kommen werden, nicht Rumänisch verstehen, für wen dienen wir dann noch? Wir müssen uns fortwährend anpassen, und das versuchen wir, indem wir einen Teil des Gottesdienstes auf Deutsch abhalten: der Apostel und das Evangelium werden auch auf Deutsch vorgelesen, einige Litaneien und das ,,Vaterunser‘‘ gesprochen. In einer nicht weit entfernten Zukunft wahrscheinlich auch mehr. Wir riskieren, dadurch einen Teil unserer nationalen und identitären Werte zu verlieren, nicht aber den Glauben…

 

Wir sind an erster Stelle orthodox, erst nachher Rumänen…

Ja. Aber wir sollten so gut wie möglich an beidem festhalten. Und Gott wird die Zukunft nach Seinem Willen ordnen. Also behalten wir unseren Glauben und die permanente Verbindung mit dem Vaterland. Wir sollten unsere Kinder so oft wie möglich dahin bringen, wo ihre Wurzeln sind! Dies ist unbedingt nötig!

 

Das Interview wurde auf Anfrage der Redaktion der Zeitschrift Deisis unserer Metropolie geführt und erschien in der Ausgabe 29/2021 (S. 89-103), die der rumänischen Diaspora gewidmet ist.

Übersetzung ins Deutsche: Sibylle Ciripoi