ORTHODOXE KIRCHENZENTRUM MÜNCHEN

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Interview mit dem Hochgeweihten Vater Sofian von Kronstadt, Weihbischof der Rumänischen Orthodoxen Diözese für Deutschland, Österreich und Luxemburg, geführt von Alexandra Ștefan und veröffentlicht in der Zeitschrift Deisis Nr. 32/2024, p. 177-187.

Hochgeweihter Vater, am Ende des ersten Teils dieses Interviews, das im Jahre 2023 veröffentlicht wurde, sprachen wir über das orthodoxe geistliche Leben in Deutschland, im Vergleich zu den in Rumänien bekannten Verhältnissen. Was steht auf der Visitenkarte der rumänischen Orthodoxie? Welche sind die dazugehörigen Besonderheiten?

Ein jedes orthodoxes Volk ist durch sein eigenes Ethos gekennzeichnet. Diese Gesinnung beeinflusst den Geist der Orthodoxie des jeweiligen Lebensraumes, in unserem Fall des deutschsprachigen Teils Europas. Die heilige Liturgie wird hier in Deutschland in der russischen, griechischen oder rumänischen orthodoxen Kirche unterschiedlich erlebt. Ein Jeder von uns hat seine eigene Art, die Heilige Liturgie – und im Allgemeinen den Glauben – zu empfinden und zu erleben. Der Akademiker Ioan-Aurel Pop betont ganz besonders unsere Einzigartigkeit: Das rumänische Volk hat lateinische Vorfahren und den orthodoxen Glauben. Deshalb unterscheiden wir uns auch vom „griechischen Rationalismus“ wie von der russischen Mystik. Wir sind eher ausgeglichen, uns ist eine gewisse Demut eigen. Es ist sehr wichtig, dass wir diese Eigenheit gut verstehen, damit diese Demut sich nicht in eine Art Minderwertigkeitskomplex verwandelt. Davon sind nämlich hier zahlreiche Rumänen betroffen. Wir sollen den wahren Wert der Demut erkennen, die in unserer Seele heranwächst und uns befähigt unsere Beziehungen zu den Mitmenschen in authentischer Demut und Würde zu gestalten. Viele Rumänen kommen nach Deutschland und sind von der vorgefundenen materiellen Zivilisation fasziniert, ja sogar überwältigt. Sie meinen, sie besäßen keine eigenen Werte, als ob es Werte nur in der materiellen Ordnung geben würde. So kommt auch die Fähigkeit abhanden, diese Werte realistisch zu erkennen und zu  beurteilen. Anderseits ist es aber auch für den orthodoxen Rumänen – der seine eigene Bestimmung, seine eigene Identität erkannt hat – charakteristisch, ein loyaler und opferbereiter Botschafter seines Glaubens und dessen Werte zu werden. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir Kleriker es als unsere Pflicht betrachten, auf diese Besonderheiten, auf die Werte der rumänischen Spiritualität hinzuweisen. Die Harmonie, Ausgewogenheit, Demut, Schönheit unseres Bezugs zur Umwelt, die seelische Wärme können nicht mit Geld erworben werden, wie es heute so oft der Fall ist. Die rumänischen Christen in der Diaspora sind ganz besonders dazu aufgefordert, ihre eigene Identität zu entdecken, zu erkunden und bewusst anzunehmen. Erst nachdem dieser erste Schritt geschafft ist, ist man auch in der Lage, die eigenen Werte zu schätzen, zu fördern und sie weiter zu verbreiten. Manchmal vergehen viele Jahre, bis wir den Wert unserer besonderen Eigenheiten richtig begreifen. Wir verzeichnen größere oder kleinere materielle Erfolge, dann stellen wir aber fest, dass wir dadurch nicht die wahre Erfüllung finden. Viel wichtiger ist die seelische Gemeinschaft mit den Mitmenschen, die Verbundenheit mit Gott und den Nächsten.

Soeben sprachen Sie über die guten Eigenheiten  der orthodoxen Rumänen und erwähnten in besonderer Weise die Demut. Auf welche Art und Weise könnte diese Demut noch genauer erläutert werden?

Indem man nicht über sich selbst denkt, man sei der Mittelpunkt der Welt. Die Demut, würde ich sagen, liegt in der Natur unserer Existenz. In ihrer Beziehung zum Kind ist eine Mutter demütig. Auch eine Ehefrau in ihrer Beziehung zu ihrem Ehemann ist demütig – wie auch der Ehemann in seiner Beziehung zur Ehefrau, die er liebt. Menschen, die lieben, sind in jeder Lebenslage demütig, die wahre Liebe ist die Quelle der Demut, sie möchte sich nicht hervortun oder dem Geliebten gegenüber behaupten, sie möchte einfach nur lieben, zum Wohle und zur Entfaltung des Geliebten. Eine richtige Einordnung und Beurteilung der Wirklichkeiten und der Identitäten ist eine weitere Äußerungsform der Demut. Ein Vater und ehemaliger Abt des Klosters Sâmbăta äußerte sich folgendermaßen: „Der Demütige kennt und ehrt seinen Platz!” … Ich vertrete die Meinung, die Demut eines Volkes setzt voraus, dass sich niemand auf Kosten des Anderen behaupten sollte. Jeder ist dazu bereit – im Zusammenleben mit den Anderen – seine Identität anzunehmen. Durch ein Leben in wunderbarer Schönheit kommen alle guten Gaben Gottes richtig zur Geltung, als Beitrag zum allgemeinen Gemeinwohl. Denn jedes Volk verfügt über die von Gott erhaltenen Talente, die zum Wohle aller reiche Frucht bringen. Von Bedeutung ist auch die Tatsache, dass das rumänische Volk diese Form der Demut während der zwei Jahrtausende seiner Entstehung erworben hat. Dabei spielten die wechselseitigen Beziehungen mit der Herrschaft der Nachbarn eine wichtige Rolle. Man war immer daran interessiert, ein „Modus vivendi“ zu finden…

Wie wunderbar! Unser rumänisches Volk gehört seit seiner Entstehung zum Christentum, die Orthodoxie definiert unser Ethos, unsere Wertvorstellungen. Auch deshalb ist eine Loslösung vom Geburtsort, vom Ort der Abstammung nicht leicht. Doch wie gelingt es dann den rumänisch-orthodoxen Christen, sich im deutschsprachigen Raum einzuleben?

Dafür findet Jeder seinen eigenen Weg. Wir stellen fest: In einzelnen Kirchengemeinden, in verschiedenen Städten wird der Glaube unterschiedlich gelebt, aber es gibt natürlich auch allgemeingültige Zusammenhänge. Die Rumänen sind nachgiebig, sie sind sich manchmal nicht ihrer eigenen Identität sehr bewusst und sind sehr anpassungsfähig. Es besteht die Gefahr – falls es vor Ort keine gut begründete orthodoxe Gemeinde gibt – dass viele Rumänen oder die hier lebenden Kinder ihre Identität verlieren. Um hier entgegenzusteuern ist es notwendig, die eigenen Werte zu kennen und zu pflegen. Im Unterschied zu anderen Völkern, dank der natürlichen, existenziellen Demut unseres Volkes öffnen wir uns den Anderen gegenüber, die wir als unsere Mitmenschen betrachten. Diese Koexistenz ist auch ein Merkmal, das uns eigen ist, die Demut bewahrt uns vor Übertreibungen, vor dem Komplex der Selbstzufriedenheit und vor jeder Überheblichkeit den Anderen gegenüber.

Eine weitere Besonderheit unserer Gemeinschaften ist die Bereitschaft zur freiwilligen Arbeit, im Glauben, ohne jegliche finanzielle Vergütung. Unsere Landleute sind noch immer bereit, mit Begeisterung viel Gutes zu tun! Viele Gläubige verrichten gerne, sowohl in den Pfarreien als auch in der Metropolie, Dienste zum Wohle ihrer Mitmenschen. Die seelsorgliche Tätigkeit der Priester wird weitestgehend auf freiwilliger Basis durchgeführt, ebenfalls die Dienste der Priesterfrauen, der Pfarrgemeinderäte, der Katecheten und der weiteren Helfer. Unsere freiwilligen Dienste bedeuten ein sich selbst schenken zum Wohle aller. Es ist ganz wichtig, diese Haltung zu definieren und zu fördern. Leider muss an dieser Stelle auch erwähnt werden, dass es während des Umbruchs, der Anpassung, auch vorkommt, dass Rumänen sich einander ausnützen und vom Kummer und Leid des Anderen profitieren. Etliche Mitglieder unserer Gemeinden befinden sich in einer schwierigen Phase ihres Lebens, an einem Anfang, der ihnen neue Möglichkeiten eröffnet. Die Pfarrgemeinde ist dafür eine zusätzliche Gewähr, während dieser Etappe des Lebens hilfsbereiten Rumänen zu begegnen. Alles geschieht mit Herzlichkeit und seelischer Wärme; nicht zuletzt loben wir das hauswirtschaftliche und kulinarische freiwillige Engagement, zum Beispiel anlässlich der von den Pfarreien organisierten Agapen.

Die Rumänen suchen noch – größtenteils - die Nähe zueinander. Sie freuen sich über zusammen verbrachte Stunden, über Gemeinsamkeiten, auch außerhalb der Pfarrgemeinde. Man freut sich über neue Beziehungen und manch‘ eine Sehnsucht geht in Erfüllung, auch wenn man von der alten Heimat weit entfernt ist…

Gehört der Dialog der rumänisch-orthodoxen Christen aus Deutschland mit den anderen christlichen Konfessionen auch zum naturgemäßen Zusammenleben, von dem sie sprachen?

Selbstverständlich, ausgehend im praktischen Handeln, nicht im Theoretisieren. Es ist bekannt, dass Papst Johannes Paul VI die grundlegende Verbindung des Dialogs der Liebe mit dem Dialog der Wahrheit betonte. Wenn wir nur auf den Dialog der Wahrheit bestehen, ohne zuerst den Dialog der Liebe zu praktizieren, bleibt der ganze Eifer wirkungslos. Es ist nicht zu übersehen: jede Kirche hat sich auf ihre eigene Theologie festgelegt. Ohne den Dialog der Liebe stehen sich die jeweiligen theologischen Positionen fast unversöhnlich gegenüber. Doch gerade dieser Dialog bietet verschiedene Möglichkeiten, zueinander Kontakt aufzunehmen und die Nähe des Anderen zu suchen. Vielleicht hilft zum besseren Verständnis der Vergleich mit den Sorgen einer Mutter, die erfahren hat, dass ihr Sohn sündigt und deshalb alles tun wird, um ihn zu retten. Sie kommt also zum Priester und bittet diesen: „Vater, nehmt ihn auf, helfen Sie ihm, irgendwie…“ – Sie ist sich der Sünde bewusst, sucht aber einen Weg der Errettung. Ähnlich geschieht es auch im Falle des Dialogs der Kirchen, ausgehend vom Dialog der Liebe. Die Kirchen Deutschlands unterstützen und praktizieren diesen Dialog, es werden uns Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt, wir haben die Möglichkeit dort Gottesdienste zu feiern oder andere Aktivitäten auszuüben. Auch wir sollten unser Entgegenkommen bewusst danach ausrichten und die uns in christlichem Geist angebotenen Möglichkeiten entsprechend würdigen. Und in diesem Geist führen wir auch weiterhin den Dialog mit den christlichen Kirchen. Unser Herr Jesus Christus erteilte uns das Gebot: „…Alle sollen eins sein…“(Joh 17,21). Es ist unser Auftrag, das Hauptanliegen unseres Auftrags. Aufgrund unserer Geschichte und Identität verfügen wir in dieser Hinsicht über besondere Voraussetzungen. Vor allem in Siebenbürgen, in der Dobrudscha und im Banat fand eine Koexistenz der Rumänen mit anderen Konfessionen, Ethnien und sogar anderen Religionen statt. Unsere Haltung diesen Mitmenschen gegenüber ist von großer Bedeutung: Wir alle sind Söhne des Einen Gottes, der für die Erlösung aller gestorben ist. Wir sollen keinesfalls in einer ausschließenden Selbstzufriedenheit verharren sondern Wege finden, die andere Menschen näher an die Orthodoxie heranführen, auch wenn dafür vielleicht das richtige Verständnis (noch) fehlt. Wir stellen fest, es ist sehr leicht die Anderen mit der „Wahrheit“ zu überrollen, gleichzeitig aber sehr schwer, diese Wahrheit den Anderen sinngemäß, in einer verständlichen und attraktiven Art und Weise, zu übermitteln. Nichts ist einfacher als die Anderen zu verurteilen! Wir sollen die passenden Möglichkeiten finden, sie in die Lage zu versetzen, nicht nur die theoretischen Glaubenswahrheiten, sondern auch die orthodoxe Lebensart zu verstehen. Das kann geschehen, indem das Leben im orthodoxen Glauben, das orthodoxe Ethos auch in unserer Lebensart zum Ausdruck kommt. Doch manchmal übertreffen uns in dieser Hinsicht die heterodoxen Christen, wenn diese uns aus Überzeugung und Nächstenliebe Möglichkeiten anbieten, die wir ihnen oder anderen Christen – zu Hause –in der Not nicht anbieten würden.

Hochgeweihter Vater, anhand eines Beispiels erwähnten Sie dass die Mutter alles tun würde um ihre Kinder zu retten. In diesem Sinne denken wir auch an die Zukunft unserer Kirche – sowohl im Ausland als auch in Rumänien. Die Kirche beruht auf unserer christlichen Jugend und wir sollten uns die Frage stellen: Inwiefern tragen wir Sorge um diese Jugendlichen und wie können wir ihnen helfen, ihr Leben in der Kirchengemeinschaft zu gestalten?

Ja, ich finde das Beispiel der Mutter zutreffend. Für die Zukunft der Kirche, die Zugehörigkeit der Jugend zum Glauben und zur Kirche ist unser Verhältnis zur Jugend von kapitaler Bedeutung. Für eine Mutter ist es doch das Natürlichste, ihr Kind zu lieben, sich zu bemühen, es zu verstehen und in Liebe zu begleiten. Es ist dabei ganz wichtig, dass wir uns in die Lage des Kindes versetzen. Ich erinnere mich daran, dass Vater Teofil Pârăian uns den Ratschlag gab, ein Gespräch mit dem Kind immer auf Augenhöhe zu führen, im eigentlichen wie auch im übertragenen Sinn. Dazu sollte man sich zum Kind niederbeugen oder es auf die Arme nehmen! - Du kannst nicht von einem Kind verlangen, mit dir Schritt zu halten; du musst deine Schritte an die des Kindes angleichen und versuchen ihm zu helfen. Dazu solltest du dich niederbeugen, zur Natürlichkeit der Gemeinschaft und der unverfälschten Liebe. Du liebst dein Kind, du möchtest mit ihm Zeit verbringen, aktiv sein. Das bedeutet nicht nur mit dem Kind in die Kirche zu gehen und es – aus der Rolle des Vorgesetzten – zu belehren, sondern auch das Kind anzuleiten, eine Rolle in der Kirche einzunehmen, etwas dafür zu tun, ein Teil, ein Glied der Kirche zu sein. Aus diesem Grund bekommen in unserer Kirche auch die Mädchen verschiedene Aufgaben: Sie halten zeitweise während des Gottesdienstes den Bischofstab, tragen das Vortragekreuz während der Prozession vor dem Geistlichen, backen zusammen mit ihren Müttern das Rundbrot (prescura), das während des Gottesdienstes gesegnet wird, oder sind am kirchlichen Verkaufstand tätig. In diesem Sinne sollten wir mehr Möglichkeiten suchen, unsere Kinder in die sakralen Handlungen einzubinden. Sie werden erkennen, diese Handlungen finden nicht nur für die Kinder, sondern auch mit den Kindern statt. Wenn die Kinder verstehen, was während des Gottesdienstes stattfindet, werden sie sich nicht langweilen. Während der Katechese soll zwischendurch auch Unterhaltsames, wie z.B. Spiele, eingeplant werden. Auch eine Mutter verhält sich so, sie befindet sich nicht in der Rolle der Vorgesetzten. Sie nimmt mit ihrer ganzen Natürlichkeit, Hingabe und Freude am Spiel des Kindes teil – als wäre auch sie noch ein Kind – und befindet sich in Gemeinschaft mit dem Kind. Wenn wir diesen Weg befolgen, finden wir mit Sicherheit den Zugang zum Herzen des Kindes. Einerseits sollen wir den Kindern in Liebe begegnen, anderseits sollen wir selbst ein beispielhaftes Leben in Edelmut und Schönheit führen. Ich möchte folgendes festhalten: In der heutigen Zeit können wir die Kinder und Jugendlichen nicht mehr dazu zwingen, in die Kirche zu kommen; in der Vergangenheit wurden sie manchmal mit Gewalt hierhergebracht. Durch aus dem Glauben wachsende Liebe und Edelmut sollten wir sie dazu erziehen und befähigen, denn die Harmonie der drei Elemente: Glaube, Liebe und Edelmut, zieht die Kinder an. Dort wo diese Elemente auffindbar sind verweilen Kinder gerne.

Das Leben im Glauben in der Familie des Priesters ist ein bedeutendes  Vorbild für die ganze Pfarrgemeinschaft, vor allem für die Jugend. 

So ist es. Ein Priester ist vielen Herausforderungen ausgesetzt, er muss also selbst seinen Weg finden, den Glauben zusammen mit der Ehefrau und der Familie auf natürliche Art zu leben. Dafür soll er zu jeder Zeit bereit sein! Er soll selbst prüfen, um festzustellen, ob er die Tätigkeit nur aufgrund seiner Ausbildung ausübt, weil die Dinge so (und nicht anders) gemacht werden müssen, oder ob die Ausübung seines Amtes die seelische Reifung, den Sinn und die Erfüllung des Lebens darstellen. Es ist ein bedeutender Unterschied, ob das Gebet des Priesters dessen geistige Nahrung ist, oder ob dieser nur als Angestellter der Institution Kirche betet. Sein Handeln soll von ausgleichender Schönheit und innerer Überzeugung geprägt sein. Nur so wird es ihm möglich sein, die frohe Botschaft auch der Gemeinde zu vermitteln. Es besteht aber auch die Gefahr, dass der Familie des Priesters zu viel abverlangt wird. Und das kann geschehen, obwohl der Priester aus ganzer Überzeugung handelt… Es könnte sein dass die Kinder eine Zeit lang mithalten, doch später, wenn sich eine Möglichkeit ergibt, werden sie erwidern: „…Ich will nicht mehr, ich kann nicht mehr!... Den anderen Kindern werden Freiheiten gewährt, ich aber habe keine Freiheiten!... Ich möchte so sein wie sie!...“ Es ist offensichtlich, man muss ausgleichend handeln, man soll ein Gleichgewicht anstreben und immer alles aus Überzeugung tun. Denn wenn die Überzeugung fehlt, kann man sich auch nicht weiterentwickeln.

Herausforderungen und Schwierigkeiten bestehen auch darin, dass der Priester sich gleichzeitig sowohl den Gläubigen seiner Pfarrei als auch seiner Familie zuwendet. Dieser übermittelt er den Glauben und sorgt für sie liebevoll. Der Priester darf aber nicht vergessen, auch die Priesterfrau will geliebt werden, obwohl er sich manchmal auf einer geistlichen Reise befindet. Ähnlich geschieht es auch mit den Kindern. Es reicht nicht zu fordern, dass diese folgsam seien, der Priester soll sich auch für deren Sorgen und Nöte interessieren, sie unterstützen, verstehen, ihnen beistehen. Ich sage gerne, die Priesterfrau ist die erste Gläubige der Pfarrei, für die der Priester Sorge trägt. Die ersten Mitglieder der Pfarrgemeinde sind für den Priester die Priesterfrau und die Kinder. Ein Pfarrer der sich nicht für die Erlösung, für das Seelenheil seiner Familie interessiert, kann nicht behaupten, dass ihm das Seelenheil der restlichen Gemeinde wichtig wäre. Er würde sich selbst belügen. Wenn ihm aber das ewige Leben seiner eigenen Familie wichtig ist, wird auch die geistliche Tätigkeit in seiner Pfarrgemeinde glaubwürdig.

Ich denke auch an weitere Schwierigkeiten der Priester, an logistische Probleme der Pfarreien in der Diaspora... Die Gründung einer Pfarrei auf fremdem Boden bedeutet „bei null anzufangen“. Dadurch wird der Glaube, die Hoffnung auf eine harte Probe gestellt… Wie sollten sich der Priester und seine Familie, angesichts dieser, teils unbekannten, Herausforderungen, verhalten?

Diese Frage ist schwer zu beantworten, denn die Herausforderungen sind mannigfaltig. Wir werden einige dieser Probleme erwähnen, die aber von Pfarrei zu Pfarrei, von Gemeinde zu Gemeinde Unterschiede aufweisen. In den Pfarreien der größeren Städte sind viele der Gemeindemitglieder Intellektuelle. In kleineren Städten oder auf dem Lande sind in unseren Gemeinden auch Mitglieder die schwere körperliche Arbeit leisten, wie z.B. in der Landwirtschaft, in Schlachthäusern oder an Baustellen. Demzufolge gibt es dann auch Unterschiede in der Seelsorge.

Ein Priester, der in dieses Land kommt, soll zuerst dafür sorgen, dass er hier zusammen mit seiner Familie wohnen und leben kann. Weiterhin ist es von besonderer Bedeutung, dass er und auch die Priesterfrau die deutsche Sprache sprechen oder erlernen. So mancher äußert sich diesbezüglich: „…Lass‘ nur, es geht auch so!“ …Tatsächlich „geht es“ eine Zeit lang, doch nicht allzu lang… Man wird versuchen, den aufkeimenden Minderwertigkeitskomplex zu unterdrücken, man wird es vorziehen, sich von den „Anderen“ zu isolieren, sich einseitig, egozentrisch und verachtend den Anderen gegenüber zu verhalten. Es besteht sogar die Gefahr, gewissen Verschwörungstheorien zu verfallen und zu behaupten, man wäre der einzige, der die Wahrheit kennt (der die Wahrheit „gepachtet“ hat) und die Anderen, die man ja gar nicht versteht, befänden sich alle auf einem Irrweg. Weiterhin soll sich der Priester Gedanken machen über die Zukunft seiner Kinder. Er soll auch die Wahrscheinlichkeit berücksichtigen, dass die Kinder mit der Zeit den hiesigen Lebensraum mehr lieben als den Lebensraum der „alten Heimat“, dass sie gewisse spezifische Eigenschaften erlangen, die sie eher zur deutschen als zur rumänischen Bevölkerung hinführen. Ganz wichtig für den rumänisch – orthodoxen Priester in der Diaspora ist auch die Erkenntnis der Komplexität der von ihm ausgeübten pastoralen Betreuung. Rumänische orthodoxe Einwanderer kommen aus unterschiedlichen Teilen Rumäniens, manchmal mit ihren Minderwertigkeits- oder Überheblichkeitskomplexen. Manchmal fehlt es ihnen an Verständnis, sie verurteilen den Priester, wenn dieser den Gottesdienst oder auch andere Aktivitäten auf eine vermeintlich besondere Art durchführt. Damit der Priester einer solchen Herausforderung gewachsen sei, benötigt er eine gute theologische und seelsorgerische Ausbildung, als auch eine ausreichende Praxis. Sonst wird es schwer, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Wenn man dann auch noch ein ungestümes Temperament hat und nicht bereit ist, geduldig auch Kritik anzunehmen, wird es sehr schwer die unterschiedlichen Gläubigen zu betreuen. Für die Rumänen ist es auch charakteristisch: Sie sehen sehr schnell das Schlechte, obwohl die Dinge vielleicht ja nur verschieden sind. Und man beginnt zu kritisieren, zu verleumden und letztendlich sich zu entzweien. Der Priester muss sich aber bemühen, ein Garant der Einheit zu sein. Nach den Gottesdiensten gehört auch die Katechese zur Erziehung der Kinder zu den Aufgaben des Priesters.

In der Diaspora muss man berücksichtigen, dass wir sowohl in orthodoxen Pfarreien als auch in rumänischen Gemeinschaften dienen. Über diese unbestreitbare Tatsache habe ich in der Vergangenheit oft nachgedacht. Früher bevorzugte auch ich den Standpunkt einer orthodoxen Pfarrei. Später erkannte ich aber, dass wir uns um alle Mitmenschen kümmern müssen, so wie auch Gott für uns alle sorgt. Dieser Gedanke verschaffte mir die notwendige innere Ruhe. Als ich noch im Kloster lebte, vertrat ich eine andere Perspektive: Wenn jemand unsere geistig-seelsorgerische Praxis nicht befolgen wollte, hatte er doch die Freiheit, sich eine andere Gemeinschaft zu suchen. Hier in der Diaspora können wir aber nicht nach dieser Ansicht verfahren; hier müssen alle von uns einbezogen werden. In Rumänien hatte ein jeder die Möglichkeit eine andere Kirche oder ein anderes Kloster aufzusuchen. Jedes Kloster befolgte seine kirchliche Ordnung und das war gut so. Doch hier müssen wir auch andere Verhältnisse berücksichtigen, wir müssen uns bemühen, auch jenen zu helfen, die für die kirchlichen Gegebenheiten ein etwas geringeres Verständnis aufbringen. Wir müssen alle anspornen, sich stärker zu engagieren. Gott ist nachsichtig mit unserer Unkenntnis und unseren eigenen Schwächen. Gott bestraft uns nicht, Er hilft uns, Er fördert in uns das Gute. Und so sollen auch wir den Anderen helfen und von niemandem etwas einfordern, wozu wir selbst zurzeit noch nicht in der Lage sind. Oft kommt es vor, dass Gläubige, die aber nicht regelmäßige Kirchgänger sind, uns wegen einer Taufe ansprechen, das heißt, die Taufe ihres Kindes wünschen. Es ist dann richtig darauf hinzuweisen, man erwartet, der oder die Getaufte soll eine lebendige Bindung mit Gott in Person und mit der Kirche eingehen, an den Gottesdiensten teilnehmen, beten und fasten, der Sünde und den unguten Leidenschaften entsagen. Eine solche neue Ausrichtung im Leben wird manchmal aber leider nicht akzeptiert, denn man ist von Selbstzufriedenheit erfüllt. Obwohl man feststellt, dass im Leben nicht alles gut geht, werden unsere Ratschläge nicht angenommen, man vermeidet dadurch zusätzliche Anstrengungen, man möchte eher die vorhandene Lebenseinstellung beibehalten. Das Ergebnis ist oft eine gewisse Unzufriedenheit auf beiden Seiten. Wir stellen fest, zu diesem wichtigen Unterfangen benötigt man viel Weisheit. Wir sollen die Menschen an uns heranführen, gleichzeitig aber auch ihr Verständnis, ihre Möglichkeiten berücksichtigen und uns dabei gegenseitig nicht noch mehr Kummer bereiten. Komplizierte Aufgaben stehen uns bevor!

Das Leben als orthodoxer Christ bedeutet, sich täglich, ja stündlich, auf die besonderen Lebenslagen einzustellen. Die Lösungen von heute, in derselben Lebenslage, können sich von den gestrigen Antworten durchaus unterscheiden. Das orthodoxe Leben ist unsere gläubige Antwort auf den Ruf Gottes, die Antwort auf die täglichen Herausforderungen des Lebens.

Wir sprachen über die Voraussetzungen unter denen der Priester und Seelsorger seine Gemeinde betreut. Woher bezieht der Priester seinerseits seine geistigen Ressourcen, aus denen er seine erfolgsversprechende Kraft schöpft? In all‘ den Jahren waren Sie mit der Gründung des Kirchenzentrums München beauftragt, gleichzeitig bewältigten Sie aber auch die Seelsorge der Gläubigen. Woher wurde Ihnen in dieser Zeit Hilfe zuteil?

Du hast sehr treffsicher diese beiden Facetten meiner mehrschichtigen Tätigkeit zur Sprache gebracht. Schon zu Beginn deiner Frage schweiften meine Gedanken zu Vater Teofil, der für mich, in meinem Leben, viel mehr bedeutet als mir eigentlich bewusst werden konnte. Und wie ich schon im vorherigen Interview erwähnte: Er war ein großartiger Mensch, ein Titan des Geistes. Sein beispielhaftes, absolut ernstes und konsequentes Herangehen an die unterschiedlichen Konstellationen hat mir sehr geholfen und hilft mir auch noch heute. Von ihm habe ich gelernt: meinen Beitrag zu leisten in der Gewissheit, Gott wird seinen Teil hinzufügen. Du erwähntest das Kirchenzentrum; dabei half mir das Beispiel des heiligen Basilius des Großen. Mein Master Studium und meine Doktorarbeit umfassten Themen bezüglich des heiligen Basilius. Seine von ihm ausgeübte vielseitige Tätigkeit war theologisch, pastoral, ökumenisch, liturgisch, homiletisch und karitativ. Sein Bischofsitz befand sich in Caesarea in Kappadokien. Die karitative Einrichtung, die sich in der Nähe der Stadt befand, umfasste eine Kirche, Unterkünfte für die Armen und Reisenden, sowie für Kleriker, die sich auf der Durchreise befanden. Dieses umfassende, vielseitige Zentrum wurde zur damaligen Zeit „die Stadt außerhalb der Stadt“ genannt und viele waren erstaunt über diese Leistung. Demzufolge wurde auch ich in meiner Überzeugung bestärkt: Der Bau des Kirchenzentrums ist möglich! Ich begann mir über den Bau Gedanken zu machen, mein erster Gedanke galt dem notwendigen Ergebnis, nicht unbedingt der Größe oder den Kosten. Davon ausgehend wurden danach die entsprechenden Architektenpläne ausgearbeitet. Und in diesem Sinne galt am Anfang der Aufruf: „Schau’n wir mal…und packen wir’s an!“, um erst danach die Ressourcen und die Realisierung festzulegen. Denn wenn wir uns schon am Anfang Grenzen setzen und uns vielleicht selbst einreden, dass wir es gar nicht schaffen, werden wir zu guter Letzt auch nicht imstande sein, etwas zu tun. Der heilige Basilius war also für mich ein leuchtendes Beispiel, das mich mit Vertrauen erfüllte. Auch die Priester sollten den geistlichen Menschen unserer Zeit folgen, Vorbildern, die wir benötigen und die uns vorzeigen wie der Glaube heute gelebt werden kann. Wir folgen auch dem Beispiel der Kirchenväter, die unsere geistigen Vorfahren sind. Das Studium ihrer Lehre, ihres Lebens ist für uns eine wertvolle Inspirationsquelle. Schon der Apostel Paulus sagt: „Gedenkt eurer Vorsteher, die euch das Wort Gottes verkündet haben! Betrachtet den Ertrag ihres Lebenswandels! Ahmt ihren Glauben nach! (Hebr 13,7).

Ich denke an das soeben beschriebene Befinden unserer Priester in der Diaspora; manchmal fühlt sich der Priester wie auf einer Pilgerschaft und nicht zu Hause… Was geschieht aber mit den Priestern im Ruhestand? Wie ergeht es ihren Familien?

Oft ist es schwierig, die Heilige Messe zu zelebrieren ohne der „Kirche von zu Hause“ nahe zu sein. Manchmal verfügt man nicht über einen zusätzlichen Raum für andere Aktivitäten, oder der liturgische Raum ist ungewohnt, nicht familiär. Oft ist die Kirche rund, der Altartisch befindet sich in der Mitte der Kirche oder an der Wand, es gibt also oft Abweichungen von der „orthodoxen Normalität“ von zu Hause. Der Priester zelebriert den orthodoxen Gottesdienst in katholischen oder evangelischen Kirchen, die der rumänischen Gemeinde zur Verfügung gestellt wurden. Am Morgen kommt er schon ein bis zwei Stunden früher, um den liturgischen Raum für den orthodoxen Gottesdienst herzurichten. Er stellt dann die Ikonen, die notwendigen sakralen Gegenstände und manchmal auch den Altartisch auf. Nach dem Gottesdienst bleibt er länger dort, oft zusammen mit seiner Familie und einem bis zwei Gläubigen, um „aufzuräumen“ und den Raum so zu hinterlassen, wie dieser vorgefunden wurde.

Die seelsorgerische Betreuung der hiesigen Gläubigen ist manchmal schwierig; viele von ihnen sind mit den Realitäten nicht vertraut und benötigen wichtige Anleitungen. Es ist nicht leicht für einen Pfarrer, der sich am Anfang seiner Tätigkeit befindet und der manchmal selbst noch nicht so richtig weiß, was er zu tun hat. Das sind alles schwer zu bewältigende Herausforderungen. Es ist auch wichtig, dass sich die Priester, unabhängig davon ob sie über eine kurze oder längere liturgische Praxis verfügen, so oft wie möglich am Sitz der Eparchie einfinden, Kirchen, Klöster, also geweihte liturgische orthodoxe Räume besuchen, damit das Verständnis der orthodoxen Liturgie und des orthodoxen liturgischen Raums wächst, sich der orthodoxe Geist weiterentwickelt und dann auf die Gläubigen übertragen werden kann.

Weiterhin stellen wir uns auch die Frage, was geschieht nach einem lebenslangen Dienst, welche sind die Möglichkeiten, den letzten Teil des Lebens abzusichern. Ich erwähnte schon, etliche Priester dienen, im Glauben, aus Enthusiasmus. Sie leben hier in einer merkantilen Welt, schenken aber ihrem hiesigen Einkommen keine besondere Aufmerksamkeit. Deshalb sollten wir sie darauf hinweisen: Wir müssen auch die Rahmenbedingungen schaffen, damit der Priester, als auch dessen Familie und möglicherweise verwitwete Priesterfrauen, unterstützt werden. Wir benötigen finanzielle Mittel und Rahmenbedingungen, damit es möglich wird, diese Menschen notfalls zu unterstützen. Die Institution Kirche fordert vom Priester Opferbereitschaft für die Kirche und für die Menschen, gleichzeitig muss man sich aber auch bemühen die Voraussetzungen dieser Hilfe zu schaffen, damit die Priester mit Hingabe für die Gläubigen da sind. Dann sind auch die Gläubigen zu einem Opfer bereit, falls es notwendig sein sollte. Diese praktischen Dinge müssen mit Bedacht und Umsicht angegangen werden. Es sollen finanzielle Mittel bereitgestellt und möglicherweise Unterkünfte für die Kleriker gebaut werden. Es müssen Lösungen gefunden werden, denn falls Priester, die ihr Leben lang aufopferungsvoll gedient haben, im Alter feststellen, dass sie von der Amtskirche oder von den Gläubigen, denen sie gedient haben, alleine gelassen werden, würde das zu einer schweren Enttäuschung oder letztendlich sogar zum Abfall vom Glauben führen.

Die Zusammenarbeit zwischen dem Priester und der Amtskirche ist besonders wichtig, zur gegenseitigen Unterstützung und zum Erreichen des gemeinsamen Wohls…

Ja, die Priester haben im Allgemeinen hohe Erwartungen an die Zusammenarbeit mit der Amtskirche. Das ist auch die Folge einer – in einem Geist der Isolation – in der alten Heimat stattgefundenen Entwicklung. In dieser Hinsicht drückt sich Seine Heiligkeit Vater Daniel oft folgendermaßen aus: „ Die Autokephalie ist eigentlich das Recht eines jeden orthodoxen Landes, allein und ohne Hilfe zu leiden“. Auf ähnliche Weise erleben wir auch die „Autokephalie der Priester“. Die meisten von ihnen sind der Meinung, eine allzu enge Zusammenarbeit mit der Institution Kirche wäre ein Verlust und deshalb möchten sie ihren „Besitz“ bewahren. Schon Basilius der Große pflegte aber zu sagen: „Wenn das allgemeine Gut leidet, so leidet auch das Individuelle.“ Denn wenn wir uns redlich bemühen und uns für das allgemeine Wohl einer Kirche einsetzen, die solide ist und gut organisiert funktioniert, wird für uns alles gut gehen. Es ist aber ganz wichtig, dass wir die Institution Kirche als unser Eigentum betrachten, denn Wir sind Kirche. Die Kirche ist der Leib Christi, gebildet von allen Gläubigen, die sich – vielleicht auch nicht – zur Kirche bekennen. Die Metropolie umfasst alle Pfarreien, die von den Priestern vertreten werden. Wenn diese nun bei jeder Initiative zur Zusammenarbeit seitens der Metropolie zögerlich oder sogar abweisend sind, wird eine weitere Entwicklung kaum möglich sein. Eine gut organisierte Institution Kirche setzt disziplinierte Teilnehmer voraus, die ihren Beitrag beim Aufbau der Institution Kirche geleistet haben und diese nun unterstützen. Das Verhältnis ist kompliziert; die Leitung der Institution und die Basis müssen liebevoll aufeinander zugehen und die Sorgen des Anderen erkennen. Der Blick soll nicht nur auf die eigenen Bedürfnisse oder auf die Hilfe durch den Anderen ausgerichtet sein. Vielmehr beruhen die Verpflichtungen auf Gegenseitigkeit.

Anlässlich des 30jährigen Bestehens der Rumänischen Orthodoxen Metropolie möchte ich Sie fragen: Wie sehen Sie die Entwicklung der Metropolie in den nächsten 30 Jahren?

Das ist schwer vorauszusagen, denn es gibt viele Unbekannte, die unsere Zukunft beeinflussen. Währen der letzten 30 Jahre kamen zahlreiche Rumänen nach Deutschland. Es ist schwer vorauszusehen, wie lang dieser Strom von rumänischen Einwanderern, die nach Deutschland und Österreich kommen, fortbestehen wird. Wahrscheinlich werden diese Ressourcen in ein paar Jahren erschöpft sein, wir sollten uns darauf einstellen, dass dieser Zufluss abnehmen wird. Wir werden dann auf die bestehenden, eigenen Kräfte angewiesen sein, von denen wieder ein Teil nach Rumänien zurückkehrt oder in andere Länder zieht. Die hier geborenen und aufgewachsenen Kinder und Jugendlichen kommen noch dazu. Wir stellen fest dass von 20 Kindern, die von uns getauft wurden, in ihrer Jugendzeit noch etwa ein bis zwei in die Kirche kommen. Wir können also nicht genau voraussagen, wie viel Kirchgänger es in 30 Jahren geben wird. Deutschland ist ein gut organisiertes Land mit geordneten Strukturen; falls auch wir uns besser organisieren, wahren wir mit Sicherheit die Chance zum Überleben. In Zukunft sollten auch die Aktivitäten mit den Kindern und Jugendlichen ausgeweitet werden. Wir sollten uns besser organisieren und – falls in Zukunft weniger Einwanderer aus Rumänien kommen – unsere eigenen Möglichkeiten besser nutzen. Aus meiner Sicht ist auch die Zusammenarbeit der Priester sehr wichtig. Dafür habe ich ein Konzept erstellt und dieses „Die gute Nachbarschaft der Priester“ genannt. Falls die Priester aber nicht mit Freude zusammenarbeiten, wenn sie sich gegenseitig sabotieren, leidet der Glaube der Gemeindemitglieder als auch die Kirche als Institution darunter. Bisher kamen uns auch die Pfarreiengründungen und der anfängliche Enthusiasmus zugute. In Zukunft aber müssen wir uns besser organisieren und an den Realitäten des Landes, in dem wir leben, orientieren. Es folgt nun eine Zeit der Überprüfung und an unseren Notwendigkeiten ausgerichteten Umgestaltung. Das alles schließt natürlich auch ein dass die dienenden Priester ihre „rumänische Denkungsweise“ ändern und nicht nur nach dem Prinzip handeln:“…Lass nur, das geht auch so…“, oder „…Lass nur, wir sind schlauer und überlisten sie…“ oder „…Lass nur, wir kommen schon irgendwie über die Runden…“, denn auf diese Art können sich die Dinge nicht zum Guten weiterentwickeln. In diesem Sinne erinnern wir uns auch an den Aphorismus: „Wer nicht an die Zukunft denkt, der wird bald große Sorgen haben.“

Sie erwähnten, eine der besonderen Vorzüge der Heiligkeit ist ihre deutlich erkennbare Offenkundigkeit. Unsere organisatorische und geistige Entfaltung hat Vorrang und bleibt für uns weiterhin unser wichtiges  Anliegen, im Hinblick auf unser wahrhaft christliches Leben. Worauf richtet sich hier ganz besonders unsere Aufmerksamkeit?

Bei allen unseren Werken sollen wir Gott mit einbeziehen. Er ist unser aller Vater, unser Schöpfer, Er ist das Ziel am Ende unseres irdischen Daseins. Der Standpunkt: „…Alle sind wichtig, aber ich bin wichtiger als alle Anderen…“ muss für alle Zeit überwunden werden. Das ist von großer Bedeutung, denn diese Art zu denken und zu fühlen wird zu einem individualistischen und egozentrischen Verhalten führen. Diese Einstellung wird dann für alle sichtbar, wir erstarren in der Unfähigkeit gegebenenfalls die eigenen institutionellen Grenzen oder die den Pfarreien auferlegten Anordnungen und Regeln zu überwinden.

Im Allgemeinen fehlt uns auch die Freude an der Erlösung, derer wir durch die Kirche teilhaft werden. Wir sind nicht von ansteckendem Eifer erfüllt und leben von Generation zu Generation sozusagen in einer „orthodoxen Trägheit“. Wir müssen uns vor Begeisterung selbst übertreffen! Vater Serafim Popescu vom Kloster Sâmbăta, der für das Jahr 2025 zur Heiligsprechung vorgeschlagen ist, pflegte zu sagen: „Du sollst dich selbst überwinden, und dich selbst hingeben.“ Später wurden diese Worte von Vater Teofil aufs Neue gedeutet: „Du sollst dich im Glauben überwinden und dich in Liebe opfern.“ Wenn wir so handeln, werden auch in unserem Umfeld der Glaube und die Liebe wachsen. Möge uns Gott helfen, in Hoffnung auf die Erlösung in Jesus Christus zu leben, als Arbeiter in einer immerwährenden Gemeinschaft mit Gott. Dann gewinnt unser Wesen an Tiefe und erlangt ein neues Antlitz. Mögen wir mit Gottes Hilfe die Freude der Erlösung finden, damit durch uns recht viele Mitmenschen dieser Freude teilhaft werden.

Übersetzung ins Deutsche: Günter Pflanzer